Habe ich PMS oder Depressionen?
Keine einfache Frage, denn die Symptome können sich überschneiden. Viele Frauen mit PMS leiden unter depressiven Verstimmungen und Antriebslosigkeit, ähnlich einer Depression. Doch es gibt auch Unterschiede. Welche, erfahren Sie hier.
PMS: Stimmungseinbruch vor der Regelblutung
Fangen wir mit dem prämenstruellen Syndrom (PMS) an. Es kann mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Symptomen einhergehen, und zwar sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer Ebene.
Zu den psychischen Symptomen beim PMS gehören z. B.:
- Stimmungsschwankungen
- Traurigkeit
- Lust- und Interesselosigkeit
- Antriebsschwäche und Schläfrigkeit
- Konzentrationsprobleme
- Angstgefühle
- Nervosität und erhöhte Reizbarkeit
- Aggression und Wut
Mehr zu den psychischen Symptomen bei PMS erfahren Sie hier.
Das kann so weit gehen, dass der Alltag der Frauen in dieser Zeit stark eingeschränkt ist. Auch die sozialen Kontakte können unter den Gefühlswallungen oder durch den Rückzug der Betroffenen leiden. Und genau hier liegt der Übergang zu einer depressiven Erkrankung, der oft auch fließend sein kann.
Sonderform PMDS: wenn der Alltag nicht mehr funktioniert
Wenn die psychischen Symptome bei PMS besonders stark und einschränkend sind, spricht man von einer sogenannten prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS), was übersetzt heißt: gedrückte Stimmung (Dysphorie) vor der Periode (prämenstruell). Dieses Krankheitsbild zählt zu den depressiven Störungen, ist also eine psychische Erkrankung wie die Depression und ähnelt ihr auch in der Symptomatik, ist aber zeitlich an die Regelblutung gebunden. Die depressive Stimmung kann dabei bis hin zur Hoffnungslosigkeit führen, daneben sind ausgeprägte Reizbarkeit oder Wut sowie starke Angstgefühle typisch. Im Grunde sind die Symptome ähnlich wie beim „normalen“ PMS, nur stärker und einschneidender, das heißt, die Betroffenen können ihren Alltag (etwa die Arbeit) nicht mehr bestreiten oder verlieren ihre sozialen Kontakte.
PMDS ist deutlich seltener als das prämenstruelle Syndrom. Schätzungsweise 3–8 % der Frauen im gebärfähigen Alter sind davon betroffen, während unter PMS etwa ein Drittel leidet.
PMDS oder Depression? Verlauf macht den Unterschied
PMDS ist zwar eine depressive Störung, muss aber von einer Depression im klassischen Sinn abgegrenzt werden. Ein entscheidender Unterschied zwischen PMS und PMDS auf der einen Seite und einer „klassischen“ Depression auf der anderen ist der Verlauf. Beschwerden im Rahmen eines prämenstruellen Syndroms treten stets in der zweiten Zyklushälfte, meist einige Tage vor der Menstruation auf und bessern sich mit Einsetzen der Blutung wieder oder klingen ganz ab. Sie sind also typischerweise zyklusabhängig. Das ist auch bei PMDS ein wichtiges Diagnosekriterium: Die Symptome müssen regelmäßig vor der Regelblutung auftreten, mit Einsetzen der Blutung nachlassen und in der Woche danach minimal werden oder ganz verschwinden.
Anders bei der Depression. Zwar verläuft auch sie typischerweise in Phasen, die allerdings nicht an den Menstruationszyklus gekoppelt sind. Man spricht hier von sogenannten depressiven Episoden. Die durchschnittliche Dauer einer solchen Episode liegt bei 6–8 Monaten. In dieser Zeit leiden die Betroffenen also – mit individuellen Schwankungen – durchgehend unter depressiven Symptomen. Man kann sich vorstellen, was für ein enormer Leidensdruck dahintersteckt und wie beeinträchtigt depressive Menschen durch die Erkrankung sind.
Die vielen Gesichter der Depression
Es gibt bei der Depression unterschiedliche Verlaufsformen. Nach einer Episode können die Symptome vollständig abklingen oder in leichterer Ausprägung bestehen bleiben; auf eine Episode kann eine weitere folgen; oder aber die Beschwerden bleiben mehr als 2 Jahre lang anhaltend stark. Dann liegt eine chronifizierte depressive Episode vor. Eine leichtere Form der Depression ist die sogenannte Dysthymie. Die depressiven Symptome sind hier weniger stark ausgeprägt, dafür aber durchgehend vorhanden.
Hintergrundinfo: Gemeinsame Wurzel von PMDS und Depressionen?
Möglicherweise könnte es eine gemeinsame Ursache für die prämenstruelle dysphorische Störung und Depressionen geben, nämlich den Mangel an Serotonin. Dieser Botenstoff ist u. a. verantwortlich für unsere Stimmung, den Antrieb und die Impulskontrolle. Bei einer Depression ist oft zu wenig davon vorhanden, wobei das nicht die alleinige Erklärung für diese komplexe psychische Erkrankung ist. Aber immerhin wirken Medikamente, die den Serotoninspiegel erhöhen, bei vielen Betroffenen sehr gut.
Das könnte auch für PMDS zutreffen. Denn Forscher haben herausgefunden, dass bei ihnen ebenfalls ein Serotoninmangel vorliegt, allerdings nur vorübergehend in der Zeit vor der Regelblutung. Ob sich daraus Folgen für die Therapie ergeben – dass Frauen mit PMDS etwa nur zeitweise Antidepressiva einnehmen – ist allerdings noch offen und bedarf weiterer Forschung.
Auch das Alter kann ein Hinweis sein
Halten wir also fest: Die psychischen Symptome bei PMS und PMDS sind den Kernsymptomen einer Depression (gedrückte Stimmung, Interesselosigkeit, Antriebsminderung) durchaus ähnlich. Die Ausprägung ist bei PMDS und „klassischen“ Depressionen allerdings stärker als bei PMS. Die Beschwerden verlaufen meist in Phasen, wobei sie bei PMS und PMDS monatlich wiederkehren, während sie bei der Depression über längere Episoden anhalten.
Und es gibt noch einen Unterschied zwischen PMS/PMDS und Depressionen: PMS und PMDS sind an die fruchtbare Zeit einer Frau gebunden, können also ab der Menarche (erste Regelblutung) beginnen und hören stets nach der Menopause (letzte Regelblutung) auf. Depressionen können dagegen in jedem Lebensalter auftreten, auch bei Kindern und Jugendlichen. Vor allem aber im höheren Lebensalter sind Depressionen häufig, gerade während und nach den Wechseljahren.
Im Zweifelsfall ärztlichen Rat einholen
Zurück zur Eingangsfrage „PMS oder Depressionen?“. Im Grunde gibt es drei Möglichkeiten:
- Es besteht ein prämenstruelles Syndrom (PMS) mit psychischen Beschwerden.
- Es liegt eine prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) vor, die mit stärkeren Symptomen einhergeht und als eigenständige psychische Erkrankung gilt.
- Es liegen die Diagnosekriterien einer Depression vor, die unabhängig vom Menstruationszyklus auftritt und typischerweise in Episoden verläuft.
- Zusätzlich zum PMS besteht eine depressive Störung.
An welchem Krankheitsbild Sie leiden, muss letztlich ein Arzt feststellen. Das ist allerdings gar nicht so einfach. Vor allem eine PMDS wird oft nicht oder erst spät erkannt. Umso wichtiger ist es, sich bei entsprechenden Beschwerden, die belastend sind und den Alltag einschränken, ärztliche Hilfe zu holen.
Behandlung abhängig vom Schweregrad
Steht die Diagnose fest, stellt sich die Frage nach der Behandlung. Sie richtet sich sowohl bei PMS als auch bei Depressionen grundsätzlich danach, wie ausgeprägt die Beschwerden sind und wie die Betroffenen darunter leiden. Bei PMS mit leichten Verstimmungen oder erhöhter Reizbarkeit kurz vor der Periode sind je nach Vorliebe Entspannungsübungen oder auch Sport oft ausreichend. Bei stärkeren Beschwerden können hormonelle Mittel eingesetzt werden, die den Zyklus regulieren. Damit lassen sich sowohl körperliche als auch psychische PMS-Symptome lindern. Ähnlich wirken pflanzliche Präparate mit Mönchspfeffer, die Zyklusbeschwerden auf natürliche Weise reduzieren.
Bei PMDS reichen diese Mittel allein in der Regel nicht aus. Hier helfen Antidepressiva wie die sogenannten Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), die das Gleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn wiederherstellen. Sie müssen allerdings im Gegensatz zur Depression unter Umständen nicht dauerhaft eingenommen werden (s. Infokasten).
Depression: Psychotherapie an erster Stelle
Und damit schließlich zur klassischen Depression: Grundlage der Behandlung ist hier zunächst die Psychotherapie, die bei einer leichten Depression ausreichend sein kann. Mit steigendem Schweregrad werden zusätzlich Antidepressiva eingesetzt. Sie müssen allerdings über einen längeren Zeitraum eingenommen und dürfen nicht zu schnell wieder abgesetzt werden.
Auch hier gilt: Sie als Betroffene können selbst etwas tun! Entspannung und Stressabbau wirken bei einer Depression begleitend ebenso gut wie bei PMS. Bewegung und Sport können die gedrückte Stimmung heben und das Selbstwertgefühl steigern. Und mit gesunder, ausgewogener Ernährung fühlen wir uns nicht nur körperlich besser, sondern auch psychisch gestärkt.
Egal also, ob Sie unter zyklusabhängigen Stimmungsschwankungen im Rahmen eines PMS leiden oder tatsächlich eine Depression haben: Sie sind den belastenden Symptomen nicht machtlos ausgeliefert. Wichtig sind allerdings eine professionelle Diagnostik, Behandlung und langfristige Betreuung.
Quellen
Pinkerton, J.V.: Prämenstruelles Syndrom (PMS), MSD Manuals [online]. www.msdmanuals.com/de-de/profi/gyn%C3%A4kologie-und-geburtshilfe/menstruationsst%C3%B6rungen/pr%C3%A4menstruelles-syndrom-pms [abgerufen am 10.05.2024].
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Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF): Prämenstruelles Syndrom (PMS) & Prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) [online]. www.frauenaerzte-im-netz.de/erkrankungen/praemenstruelles-syndrom-pms/ [abgerufen am 10.05.2024].
gesundheitsinformation.de: Prämenstruelles Syndrom (PMS) [online]. www.gesundheitsinformation.de/praemenstruelles-syndrom-pms.html [abgerufen am 10.05.2024].
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.2.2022. DOI: 10.6101/AZQ/000505. Neurologen und Psychiater im Netz: Neurologische Ursache für die prämenstruelle dysphorische Störung (PMDS) entdeckt. Pressemeldung vom 23.05.2023. www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/ratgeber-archiv/artikel/neurologische-ursache-fuer-die-praemenstruelle-dysphorische-stoerung-pmds-entdeckt/ [abgerufen am 01.08.2024]